Feministinnen

Wie bin ich Feministin geworden?

Frauenbewegte Bonner Frauen erzählen ihre Geschichte

DIE BONNER BLAUSTRÜMPFE (1972-1981)

von Gera Kessler

Erste feministische Songgrupe

Unter der Leitung von Inge Latz, die gleichzeitig die Gruppe führen und anregen konnte, entstanden Lieder, die ganz und gar von Frauen gemacht waren: getextet, vertont und bald auch gesungen. Mit diesen unterschiedlichen Liedern von Protest und Spott, Betroffenheit, Ernst, Komik und Ironie gelang es der Gruppe zu provo­zieren, Diskussionen anzuregen und, nicht nur bei gleich gesinnten Frauen, Begeiste­rung zu entfachen. Viele Frauen konnten sich in den Texten wiedererkennen. 

 

Partnerschaft (Text: Caroline Muhr) 

Ich hatte eine schö‐ö‐ö‐ne Stelle 

einst bei der Deutschen We‐e‐e‐e‐elle 

dann traf ich Kla‐aus, traf ich Kla‐a‐aus 

da war es bald mit meiner, mit meiner schönen Stelle aus. 

 

Wir wollen Freunde se‐e‐ein fürs Leben 

gemeinsam vorwärts stre‐e‐e‐e‐eben 

sprach er mit Schma‐alz, sprach er mit Schma‐a‐alz 

ich hatte seine Wäsche, ja seine Wäsche schon am Hals. 

 

Und ich vergaß einma‐a‐al die Pille 

es war gar nicht mein Wi‐i‐i‐i‐ille 

dann kam das Kläus‐chen, dann kam das Kläu‐äuschen 

wir zogen in ein kleines, ein kleines Vo‐orsta‐adthäuschen. 

 

In meinen staub‐gesaugten Zimmern 

kann ich mich um die Ki‐i‐inder kümmern 

es sind jetzt zwe‐ei, sind jetzt zwe‐e‐ei 

ihr Vater, ja ihr Vater, der ist fast ni‐ie da‐abei. 

 

Der hat ein Mädchen bei der Deutschen Welle 

das hat jetzt meine schö‐ö‐öne Stelle 

ich aber sitz dahe‐eim, sitz dahe‐e‐eim, 

wie eine Fli‐i‐iege, wie eine Fliege auf dem Leim. 

Erinnerungsorte in Bonn:

  • Zentrum des Bonner Frauen­forums: Endenicher Str. 51
  • Nora-Frauenbuchladen: Bornheimer Str. 92, Wolfstr. 30
  • FrauenCafé Lila Backstube: Wolfstr. 30
  • Frauenmuseum: Im Krausfeld 10

GISELA BURCKHARDT (*1951)

von Ute Fischer

Entwicklungshelferin, Gründerin & Vorsitzende von FEMNET 

Gisela Burckhardt bezeichnet sich klar als Feministin, zu der sie spätestens in Pakistan wird: „Es war der orientalische Machismo mit seiner offenen Geringschätzung von Frauen, der mir dort Mitte der 80er Jahre entgegenschlug.“ Noch heute würden dort Frauen vorrangig als „Gebär‐Mütter“ betrachtet, „die der Mann für den eigenen Nachwuchs braucht.“ 
 

FEMNET hat sich von einem kleinen Bildungsverein mit einer halben hauptamtlichen Stelle zu einer anerkannten NGO mit zurzeit fünfzehn Mitarbeiter*innen entwickelt“, stellt Gisela Burckhardt zufrieden fest. Die Organisation setzt sich für Sozialstandards in der Bekleidungsindustrie ein, besonders für einen existenzsichernden Lohn der Beschäftigten und das Recht der Näher*innen, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Von großer Bedeutung ist der Kampf gegen die Diskriminierung der weiblichen Beschäftigten. Zudem engagiert sich der Verein für eine Regelung von Unterneh­mens­verantwortung, z.B. durch ein Lieferkettengesetz. 

 Erinnerungsorte in Bonn:

  • FEMNET: Kaiser-Friedrich-Str. 11
  • Ev. Zentralstelle für Entwicklungshilfe: Mittelstr. 37

BARBARA DEGEN (*1941)

von Jennifer Trierscheidt

Juristin, Frauenrechtsaktivistin, Historikerin & Publizistin

Die sorgsame Durchführung von Ausgrabungen, bei denen Dr. Barbara Degen in Löchern weitergräbt, in die andere nicht einmal hineinschauen würden, ist eine ihrer grundlegenden Eigenschaften ‒ „Charakterlich habe ich die Mentalität eines Trüffel­schweins.“ Die Vielfalt der Entdeckungen ist groß: Schönes, aber auch Hässliches kann zu Tage befördert werden.

Aus Hilflosigkeit angesichts des Schweigens ihrer Familie über die NS-Zeit begann für Barbara deren bis heute andauernde Erfor­schung ‒ darüber hinaus auch die Aufarbeitung der eigenen Familien­geschichte im Dritten Reich. Die „Mentalität des Trüffelschweins“ bringt sie dazu, bei jedem Todesfall innerhalb der Familie den Nachlass nach Briefen zu durchsuchen, die ihr Antworten auf jene Fragen geben könnten und besucht darüber hinaus jedes zugängliche Konzentrationslager. Die Mauer des Schweigens durchbricht Barbara im Verlaufe des Lebens durch ihren immer wiederkehrenden Drang nach Aufklärungs­arbeit des Nationalsozialismus in Deutschland. 

Erinnerungsorte in Bonn:

  • Rheinufer Beuel

JOHANNA ELBERSKIRCHEN (1864-1943)

von Monika Hennings

Medizinerin, Publizistin & Kämpferin für Frauen-, Arbeiter- und Homosexuellenrechte 

 "Sind wir Frauen der Emanzipation homosexual – nun, dann lasse man uns doch! Dann sind wir es doch mit gutem Recht. Wen geht’s an? Doch nur die, die es sind." (1904)

Johanna Elberskirchen schloss sich in Bonn wieder der Sozialdemokratie an und gleichzeitig auch dem Verband für Frauenwahlrecht. Sie setzte sich damit sozusagen zwischen alle Stühle und so blieb es auch zeitlebens. Sie eckte überall an. 

Den Feministinnen war sie zu sozialistisch, den Sozialdemokraten zu femi­nistisch. Die Sozialdemokraten hielten es für nicht vereinbar, dass sie gleichzeitig auch in einer anderen Vereinigung für das Frauenwahlrecht kämpfte. Sie schlossen sie aus der Partei aus. 

Erinnerungsorte in Bonn:

  • Geburtshaus: Sternstr. 37

FRAUENINITIATIVE 6. OKTOBER (1980-1991)

von Ulrike Klens

Bundesweites überparteiliches Frauenbündnis in Bonn

"Wir fragen nicht, ob etwas reformistisch, radi­kal, revo­­lu­tionär ist, wir fragen, ist es gut für Frauen oder schlecht für Frauen." (1982) 

 

Die „Fraueninitiative 6. Oktober" (FI) gründete sich in der früheren Bundeshauptstadt Bonn als über­par­teiliches und überregionales Frauenbünd­nis nach der Bundes­tags­wahl am 5. Oktober 1980. Wieder lag der Anteil an weiblichen Bundestags­ab­geord­neten unter 10 Prozent – heute immerhin 35 Prozent – und Frauenfragen spielten für alle Par­tei­en nur eine untergeordnete bis keine Rolle. In die­ser Lage galt es, eine mächtigere Frauenlobby zu schaffen. Die  "Fraueninitiative 6. Oktober“ führte elf Bundeskongresse in Bonn durch, die jeweils von mehreren Hundert Frauen aus der ganzen Bundesrepublik besucht wurden. Von 1981 bis 2000 wurde der Informationsdienst "Initia­ti­ve Frauen-Presse-Agentur" herausgegeben. 

Erinnerungsorte in Bonn:

  • Zentrum des Bonner Frauen­forums: Endenicher Str. 51
  • Gründungstätte der Fraueninitiative 6. Oktober im inzwischen abgerissenen Kessenicher Hof: Mechenstr. 55 
  • Büro der Fraueninitiative 6. Oktober: Kirschallee 6
  • 1. & 2. Bundeskongress in der Godesberger Stadthalle: Koblenzer Str. 80

MARIELOUISE JURREIT (*1941)

von Ulrike Klens

Journalistin & Schriftstellerin

"Ich bin Feministin, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass eine Frau auf ihre persönlichen Erfahrungen, die Degradierung durch eine patriarchalische Kultur und ein von Profit, Gewalt und grenzenloser Destruktivität geprägtes Leben heute anders reagieren kann als durch Hinwendung zum Feminismus."

Marielouise Jurreit schreibt in Bonn das feministische Grundlagenwerk „Sexismus – Über die Abtreibung der Frauenfrage“, ein über 700 Seiten umfassendes Kompendium über Geschichte und Gegenwart, Theorie und Praxis der Frauenbewegung. Das Buch erscheint 1976, wird ins Englische und Schwedische übersetzt und allein in Deutschland werden an die 50 000 Exemplare verkauft. Die Reaktion – nicht nur der feministischen – Presse ist geradezu enthusiastisch. 

Erinnerungsorte in Bonn:

  • Universitätsbibliothek: Adenauerallee 39-41
  • Beethovenhalle: Wachsbleiche 16

BRIGITTA LANGE  (*1958)

von Ulrike Klens

Inhaberin einer Buchhandlung mit Begeisterung für Kultur, Literatur, Bühne & Kabarett 

"Wenn Sie wollen, dass etwas gut ge­macht wird, lassen Sie es von ein paar gestandenen Weibs­bildern erledigen."  (Bette Davis)

 

Die Feministin Brigitta Lange war über ein Jahr­zehnt eine tragende Säule im Nora-Frauen­buch­laden in Bonn. Sie mischte darüber hinaus in meh­re­ren anderen Projekten der Autonomen Bonner Frauenbewegung mit und stellte bis heute unzäh­lige kulturelle Veranstaltungen auf die Beine. Ihr Lesbischsein lebt sie schon seit den 1980er Jahren offen, selbstbewusst und mit einer gewissen Non­chalance. Witz, britisches Understatement und Höf­lich­keit sind untrennbar mit ihr verbunden. Frauen wie sie, mit dieser Begeisterung, diesem Einfalls­reich­tum, diesem Engagement und dieser Beharr­lich­keit, haben die Frauenemanzipation beflügelt! 

Erinnerungsorte in Bonn:

  • Nora-Frauenbuchladen: Bornheimer Str. 92, Wolfstr. 30, Breite Str. 36

BERTA LUNGSTRAS (1836-1904)

von Clara Wittkköpper

Christliche Sozialarbeiterin & Gründerin des ersten Bonner Versorgungshauses 

 "Praktisch und nüchtern, beweglich mit dem frohen Unternehmenssinn des Rheinländers, gepaart mit dem starken Willen und der zähen Ausdauer der Westfalen", so wird Berta Lungstras von iher Biografin beschrieben.

Im März 1873 kommt zum ersten Mal ein „gefallenes“ Mädchen auf sie zu und bittet um Hilfe. Diese ungewollt schwangeren Mädchen wurden damals zur Entbindung für zwölf Tage in die Klinik aufgenommen und dann ihrem Schicksal überlassen. Die Säuglingssterblichkeit war infolgedessen extrem hoch. Zwei Mal lehnt Berta so ein „unsittliches“ Ansinnen (sich mit einer solchen Sünderin zu beschäftigen) ab, aber beim dritten Mal kommen ihr Zweifel an der angeblichen „Verkommenheit“ dieser Mädchen. Über ihre Freundin und Beraterin, Schwester Auguste, wird den Mädchen geholfen. 
 

Im Juli 1873 bekennt sie sich öffentlich zu ihrer Idee eines Versorgungshauses, die sie mit Ihrer Freundin, Schwester Auguste, seit einigen Monaten entwickelt hat. Das ist ein Eklat in diesen gesellschaftlichen Kreisen! Später einmal sagte sie, dass sie der Überzeugung sei, dass ihr Leben erst begann, als sie ihre Arbeit gefunden hatte. 

Erinnerungsorte in Bonn:

  • Erstes einfaches Versorgungshaus: Maxstr. 1
  • Zweites komfortableres Versorgungshaus: Weberstr. 69
  • Hospiz: Poppelsdorfer Allee 27
  • Berta-Lungstras-Straße

BARBELIES WIEGMANN (*1933)

von Irmela Amelung & Gabriele Hertel 

Juristin, Mediatorin & Publizistin

"Der Beruf der Familienhausfrau ist gefährlicher als der eines Seil­tänzers. Die Chance ist 1:3, dass es schiefgeht. Außer­dem arbeitet ein Seiltänzer gewöhnlich mit Netz. Die Hausfrau arbeitet gewöhnlich ohne Netz. Ein Netz hätte sie nur dann, wenn ihre wirt­schaftliche Existenz auch dann garantiert wäre, wenn die Ehe zerbricht. Garantiert durch ausrei­chen­de Unterhaltszahlungen des Ehemannes. Das ist nicht der Fall. Das schlimmste Problem beim Ende der Hausfrauenehe ist der Unterhalt. In den meisten Fä­llen ist er kein Problem, sondern eine Kata­strophe.“ (1980)


Bei der Rechtsanwältin Barbelies Wiegmann ist man vor allem als Mandantin gut aufgehoben. Sie strei­tet als konsequente Interessenvertreterin für die Rechte der Ehefrauen bei einer Trennung oder Schei­dung. 

Erinnerungsorte in Bonn:

  • Rheinpromenade
  • Marktplatz